Christian Hellmich

Markus Heidingsfelder
Eröffnungsrede zur Austellung "Nitty Gritty", artothek, Köln, 2013

Guten Abend meine Damen und Herren,

zunächst möchte ich mich, wie es sich gehört, für die Einladung und die Möglichkeit bedanken, heute abend zu Ihnen über die Bilder von Christian Hellmich sprechen zu können. Und das um so mehr, da es sich um eine Veranstaltung anlässlich des 40jährigen Jubiläums der artothek handelt. 
Bevor ich explizit auf die hier gezeigten Arbeiten und natürlich auch ganz grundsätzlich und umfassend auf den Gesamtansatz von Christian Hellmich eingehe, den Anspruch hat man als Universaltheoretiker, eine vollständige Erklärung abzuliefern, bevor ich diesen Versuch unternehme, möchte ich noch eine eher allgemeine Bemerkung loswerden. ¨Die bezieht sich auf einen vielfach geleugneten, weil offenbar als ungerecht empfundenen Unterschied: den von hoch und niedrig, high und low, oder auch Kunst und Unterhaltung. Seit Ende der 60er der Begriff ‚Pop‘ ins Spiel kam, scheinen die Grenzen zwischen ernster und unernster, leichter oder einfach nur Nicht-Kunst zu verschwimmen. ¨Man sprach einstmals sogar von E-Musik, ernster Musik, ein unfreiwillig komischer Begriff, denn natürlich kann auch ernste Musik lustig sein, aber die Idee ist dann: dass man dem Lustigen todernst lauscht oder wie es früher hieß, auch um den damit zusammenhängenden, erwarteten Ernst zu verdeutlichen: ‚rezipiert‘. Und wenn man sich den Titel dieser Ausstellung anschaut, könnte man durchaus auf die Idee kommen: Aha, Pop! Lustig, sexy, cool. 
Ich glaube ja, dass man damit einem Irrtum aufsitzt.

Erstens: wenn man den Unterschied zwischen Kunst und Unterhaltung leugnet, so groß der Grau- oder Grenzbereich auch geworden sein mag, so sehr Unterhaltung sich heute Komplexitäten von Kunstrang leistet – Desperate Housewives, Mad Men, Breaking Bad, hier müssen meist die neuen amerikanischen Fernsehserien herhalten – und obwohl es mittlerweile ein Kunstprogramm gibt, das man Event-Kunst nennen könnte und das dem Zeitvertreib – Luhmann sprach hier gern von ‚Zeitvernichtung’ – der Unterhaltung entspricht. ¨Mir fehlt die Zeit, um darauf näher eingehen zu können, deshalb in einem Satz: Kunst benötigt diese Zeit, sie ist sozusagen kunstkonstitutiv – Zeit, die die Unterhaltung nicht hat. Kurzweilig, nicht langweilig soll Unterhaltung ja bekanntlich sein. Aber Dechiffrieren setzt nun einmal voraus, dass man Zeit hat und sich lässt, und genau aus diesem Grund stehe ich heute abend auch hier, um Ihnen dabei sozusagen ein wenig zu assistieren.


Zweitens: Ich glaube, man ist schief gewickelt, wenn man die zwei unscheinbaren, sich noch dazu reimenden Worte ‚nitty gritty’ als einen Hinweis, eine Art Beobachtungsdirektive nimmt, die etwa sagt: „Hallo, alles nicht so ernst gemeint, Leute. Ich machs Euch leicht, nicht schwer, keine Angst.“ Aus meiner Sicht handelt es sich hier eher um eine Art Understatement. Der Künstler stellt seine Arbeiten sozusagen unter den Scheffel, damit sie um so heller strahlen können. ¨Denn wenn man ein ‚the’ vor die zwei Wörter schaltet, dann bedeuten sie soviel wie: das Wesentliche, der Kern der Sache – das, worauf es ankommt. Hierzu passt dann auch die Bedeutung von grit: Charakterstärke, Mut, Tapferkeit. Wobei die Wortgeschichte etwas verschlungen ist, auch manche Merkwürdigkeit birgt, etwa den Umstand, dass ‚nitty‘, wenn es ohne ‚gritty’ auskommen muss, ‚dämlich’ bedeutet und ‚gritty’ ohne ‚nitty’ – der Klang legt es nahe – soviel wie körnig, also auf eine strukturelle Eigenschaft verweist, auf etwas jenseits des Gasförmigen, man könnte auch sagen: Himmlischen. Wenn man das ‚the’ weglässt, dann landet man bei einem fast plump zu nennenden Hinweis auf Hellmichs Arbeitsweise, die er selbst einmal als ‚modular‘ bezeichnet hat. Dann bedeutet der Titel: Basisteile oder Grundelemente. Fenster, Tür, Treppe …
Zunächst zur ersten Bedeutung: zur Sache kommen. Ich sage, Hellmich tut in diesen Bildern das genaue Gegenteil. Er kommt genau nicht zur Sache. Er nähert sich dem, was eine Sache sein könnte – und belässt es dabei. Überlässt uns das Versachlichen oder Zuspitzen. ¨Denn was er in seinen Bildern präsentiert, sind keine Sachen, sondern Fast-Sachen – halbe Sachen, wenn Sie so wollen. Man könnte auch sagen: ‚das Mindeste‘. So dass die Dinge, die wir sehen, gerade noch als Dinge durchgehen. ¨Ich möchte Ihnen deshalb eine andere Deutung von ‚nitty’ vorschlagen. ‚Nitty’ als Synonym, als ein Kosename für: nichts. Und ‚gritty’ als Synonym für etwas – das Gegenteil von nichts oder ‚nothing‘, wie die Engländer sagen: no thing, kein Ding, kein Etwas. Dann lautet der Titel dieser Ausstellung: ‚Nichts-etwas’. ¨Eine Doppelbegrifflichkeit, die darauf verweist, dass Christian Hellmichs Bilder auf fast schon magisch zu nennende Weise über etwas nachdenken, das gerade kein etwas ist. Wobei die Magie hier, das sei kurz eingeschoben, pures Handwerk ist, denn Hellmich ist kein Zauberer, sondern schlicht und einfach ein technisch äußerst versierter Maler, einer, der sein Handwerk versteht – zudem einer, der hart und lange an seinen Bildern arbeitet. Und im Falle der großen Formate: richtiggehend schuftet. Hellmichs Bilder lenken aber im gleichen Moment die Aufmerksamkeit des Betrachters darauf, dass nichts – aus logischen Gründen – nicht gleichbedeutend sein kann mit: gar nichts. Dazu gleich mehr. 
Ich habe an anderer Stelle ausführlich den Arbeitsprozess beschrieben, den alle seine Bilder durchlaufen: ein Verfahren, das ebenfalls Zeit in Anspruch nimmt, und diese Zeit ist sichtbar, etwa anhand der dicken Farbschichten, die sich durch das ständige Übermalen ergeben. Harte Arbeit, wie gesagt – wobei ihm das selbst peinlich ist, weil er findet, dass es pathetisch klingt, weshalb er den Aspekt manchmal durch ironische, sorgfältig kalkulierte Kleckser markiert, vermeintliche Spuren des Arbeitsprozesses, die doch wiederum nur selbst harte Arbeit sind. ¨Es ist harte Arbeit, dem Etwas ein Stückchen Nichts abzutrotzen – und es erfordert Mut, grit. Denn tatsächlich besteht das dauernde Hinzufügen paradoxerweise vor allem im Wegnehmen, nach dem Motto: Weniger ist mehr - mehr nichts. Ein fortwährendes Tilgen, Auslöschen, Durchstreichen – das Allerschwerste, wie man weiß. Man könnte auch sagen: Hellmich malt mit der Rasierklinge, so opulent und sinnlich diese Arbeiten auch wirken.
In meinen Augen sind seine Bilder also vor allem Erkundungen des Nichts, Forschungsreisen in ein Land, das wir nicht bereisen können, weil es nicht existiert, der Versuch einer sorgfältigen Kartierung dessen, was sich nicht kartieren lässt, weil da nichts bzw. ‚nicht etwas‘ ist. ¨Das Problem ist, darauf hat schon Parmenides hingewiesen – nichts ist unausführbar. Hellmich kann nicht nichts malen. Er kann nur nicht malen, was sehr schade wäre. Es ist also unmöglich, das Nichtseiende zu malen, es wäre ja sofort etwas. Das Gleiche gilt natürlich fürs Sprechen, weshalb man damals beschloss, die Wissenschaft solle gefälligst nicht nichts bzw. nicht das Nichts thematisieren – ganz grundsätzlich lässt sich in der Philosophiegeschichte eine gewisse Unentschiedenheit zwischen Indefinitpronomen und Nomen beobachten, an die ich in diesem Vortrag anschließe –, sondern sich künftig sämtlichen Etwassen widmen, die sich im Gesamtetwas Welt finden. Für Augustinus erfolgt die göttliche Schöpfung ex nihilo, aus dem Nichts. Das ‚muss so‘ laut Augustinus, weil Gott ansonsten nur ein Umwandler, Ummodler wäre, er hätte die Dinge gar nicht erschaffen, nur modifiziert. Ich würde sagen, Hellmich verfährt umgekehrt, nur dass sich dieser Exit, dieses Heraus lediglich simulieren lässt. Er wandelt um, er modifiziert, aber sozusagen rückwärts, mit dem Rücken zum bereits Geschaffenen. Wie gelingt dem Künstler das Kunststück, das unsichtbare, unausführbare Nichts, in das sich seine Formbildungen einschreiben, dennoch sichtbar zu machen? Magie hatten wir ja bereits ausgeschlossen. Vielleicht hilft uns hier ein Hinweis des britischen Mathematikers George Spencer-Brown weiter. Laut Spencer-Brown weist das Nichts eine gewisse Körnigkeit oder ‚grittyness’ auf, es hat eine gewisse „konditionierte Struktur“. Andernfalls, so die Idee, könne aus nichts ja wohl kaum etwas entstehen. Genau hier haben die Nachfolger, Nach-Denker Augustinus denn auch einen logischen Irrtum nachgewiesen. Unmöglich, dass aus nichts etwas werden kann – es sei denn: das Nichts ist gar nicht nichts! Zumindest nicht ganz und gar nichts… sondern eben durchaus schon ein klein bisschen etwas. 
Diese Struktur ist im Falle der hier gezeigten ‚Nichtigkeiten‘ natürlich zunächst einmal die Leinwand. Die Baumwollstruktur der Leinwand ist das Nichts, auf dem jene Etwasse entstehen, die viele Titel auch ausdrücklich als dargestellte Gegenstände kennzeichnen, aber deren Grenzen zwischen dem, was sie sind, und dem Nichts, in das sich dieses Sein einschreibt, in ständiger Bewegung zu sein scheinen – man hat den Eindruck, die von Hellmich geschaffenen Gebilde müssten sich gegen das körnige Nichts, gegen den mehr oder weniger leeren Raum behaupten, in dem sie sich realisieren – ganz so, als nage es an ihnen, bedrohe sie in ihrer Existenz – in ihrem Da-Sein. ¨Die von Hellmich geschaffenen Fast-Dinge – mit Baudrillard: Ding-Simulationen – drohen immer wieder in das Nichts zurückzusinken, aus dem Hellmich sie herauszieht, jenes Nichts, dem sie die eigene Etwashaftigkeit gleichsam abtrotzen müssen, wobei sie Hellmich nach Kräften zu unterstützen scheint. Ich sage ‚scheint‘, denn in Wahrheit ist der Künstler, wie so oft, gnadenlos. Er liefert sie einem unangenehmen Zwischenzustand aus… einer Schwellen-Existenz, einem Nicht-mehr-noch-nicht: nicht mehr nichts, noch nicht etwas. ¨Es ist eine Kreisbewegung, die nur zur Ruhe kommt durch eine Entscheidung, und die kann nicht das Bild, sondern allein der Künstler treffen: Fertig. Was immer das dann heißen mag – im Falle von Hellmich heißt es, dass etwas – oder ein Etwas – gerade nicht fertig wurde, dass dessen ‚Fertigkeit‘ darin besteht, unfertig zu sein. ¨Da die Suchbewegungen von ihm immer als solche mitmarkiert werden und so die Kontingenz jeder Form- und Farbwahl akzentuieren, jede Form mithin als Selektivität vor dem Hintergrund anderer Möglichkeiten erscheint, nur dass sich Hellmichs Formen nicht behaupten können, sie haben, könnte man auch sagen, allesamt eine Profilneurose, weil sie sich einerseits gegen diesen Horizont profilieren, von ihm abheben und genau dadurch verstehbar machen wollen, ihnen dies andererseits aber nicht wirklich gelingt, als steckten sie in einer Zwischenwelt fest… da Hellmich so verfährt, sehen wir nicht nur, wie Sinn erscheint, wie Wirkliches, Reales zustande kommt, sondern im gleichen Moment auch das Inaktuelle, Mögliche, Potentielle mit, aus dem sie sich lösen, zu lösen versuchen. Hellmichs Linien stellen keine Dinge dar, sie zeichnen eine Analytik nach – sie bringen diese Analytik dazu, zu erscheinen.
Sichtbar wird, was man nur selten zu Gesicht bekommt: das Nichts, das diese Bilder allererst ermöglicht – das Medium, in das sie sich einschreiben, es gleichsam verletzend. Auf diese Weise macht er es im gleichen Moment sichtbar und unsichtbar. Wir werden in Bewegung versetzt, wir müssen kreuzen und wir stellen fest, dass wir kreuzen. ¨Was erscheint, ist ein Unterschied: Wirklichkeit und Möglichkeit. Nicht das eine hier, das andere dort – beide zugleich, im Zusammenklang.
Nun lässt sich ein Medium nicht direkt beobachten. Es lässt sich nur durch die Beobachtung von Formen erschließen: Wir sehen nicht die Farbe, sondern die mit ihrer Hilfe realisierten Formen. Wir sehen nicht eine klassische Gattung der bildenden Kunst – Malerei –, sondern Gemaltes. ¨In Hellmichs Bildern wird das Formlose durch die Formen zum Prinzip und so das Medium sichtbar, das sich uns aber immer nur als Form zu erkennen gibt – blitzartig, im Moment des Übergangs. Eine Unschärfe oder auch Grobkörnigkeit, die wir als Kairos des Mediums begreifen können. Als Momentum, in dem das Nichts erscheint – indem es zu etwas wird, seine Ekstasis hat. ¨In diesem Sinne können Hellmichs Reisen in die Welt des Nichts auch als „Katastrophenbilder“ begriffen werden. Hinter den Kanten, Flächen, Wänden, Rundungen ahnen wir das Medium, das sich uns im Übergang von einer Form zur nächsten zeigt; Dinge, die in der Titelbezeichnung eine konkrete Form gewinnen, die sie auf der Leinwand nicht besitzen. Titel, die eine explizite Etwashaftigkeit beanspruchen, die man den Bildern nicht ansieht. ¨Worauf es ankommt, sind also nicht so sehr die gezeigten Etwasse, sondern die Bilder selbst als Möglichkeit des Zeigenkönnens; der Umstand, dass sich hier etwas zu bilden und umzubilden scheint, obwohl es fertig ist bzw. als auf die Leinwand applizierte Form vorliegt. Hellmichs Malerei engagiert uns mit Wahrnehmungsleistungen, in deren Mittelpunkt das Bildgeschehen, die Bildsamkeit und damit die Medialität der Formen selbst steht. Es ist deshalb kaum ein Zufall, dass der Künstler ausgerechnet jene Stabilitäten, die wir als Gebäude kennen, zur Darstellung des Transitorischen, Instabilen nutzt. 
Aber lässt sich das machen, lassen sich die Bilder das überhaupt gefallen, dass ich sie hier in Sippenhaft nehme und sage: Das sind alles Schnappschüsse des Nichts? ¨Nehmen wir nur „Follies“. Da greift Hellmich zu einem besonders perfiden Trick. Er malt ein Etwas, das wir als Fenster kennen. Zumindest drängt sich der Eindruck auf. Wir sehen ein Fenster, obwohl es sich doch tatsächlich, faktisch, objektiv: nur um eine hellgraublaue, rechteckige Fläche handelt. Natürlich weiß Hellmich um die ununterbrochenen Sinnbildungsprozesse, diese Kolonnen an Bedeutungszuweisungen, die pausenlos durch unser Hirn marschieren und die es uns unmöglich machen, keinen Sinn zuzuweisen – und wenn sich Sinn nicht ohne weiteres zuweisen lässt, dann werden wir entweder unruhig, bekommen es vielleicht sogar mit der Angst zu tun. Oder wir befinden uns innerhalb des Sinnbezirks der Kunst, in dem diese Nicht-eindeutig-Zuweisbarkeiten erwartet werden. Und zwar vom Künstler, der ihnen entweder gerecht wird, oder – ohne den Fängen dieses Sinnbezirks deshalb entkommen zu können – gerade deshalb, ‚reaktionär‘ sozusagen, eine besonders platte und einfach zu entschlüsselndes Sinnangebot präsentiert. Eine Trotzreaktion sozusagen. Den anderen Fall kennt man natürlich auch, ein Zuviel an Geheimnis und Versteckspiel. Aber unser Wahrnehmungsapparat agiert dennoch auf dieselbe Weise wie immer, er ist einfach viel schneller als unser Bewußtsein. Bevor wir also sagen können: „Moment mal“ – haben wir schon ein Fenster gesehen. Ein Etwas, das die Bildmitte, das Zentrum, das, worauf es ankommt, gnadenlos freiräumt, freischaufelt für – nichts. Das sich uns aber als etwas präsentiert, als Fenster, zum Beispiel dadurch, dass der Maler einen dreidimensionalen Rahmen andeutet. Genau deshalb handelt es sich auch nicht um ein irgendwie mystisch gestimmtes Projekt, das in eine Zone der Sinnleere gelangen möchte oder uns dabei unterstützen soll. ¨Obwohl das vermeintliche Fenster sich deutlich als bloß gemaltes zu erkennen gibt, inklusive dieser sich merkwürdig entfaltenden, zusammengerollt wirkenden, markisenartigen Formen unten links – inklusive dieses hübschen Rautenmusters, eines von Hellmichs Lieblingsmotiven oder –modulen, von dem wiederum ein Teil – perfide, sage ich – im Schatten zu liegen scheint und so erneut nachdrücklich an unseren Wahrnehmungsapparat appelliert, da etwas Reales, Räumliches zu erblicken, wo sich nur Farbe, nur ein Muster befindet. ¨Achten Sie bitte auch auf den hellen Fleck links, der wie eine Spiegelung wirkt und den Eindruck noch deutlicher Richtung Fenster verschiebt, obwohl es sich auch hier um ein Nichts handelt, eine leere weiße Fläche… ¨Noch schlimmer ist, dass das gelbe Band, das da zu sehen ist und dem ganzen Gebilde zusätzlichen Halt verleiht – Hellmich spricht im Falle solcher grafischen Willkürmaßnahmen auch von „Bildstörungen“, ein sehr schöner Begriff wie ich finde –; dass dieses Band sich „über“ den Fleck spannt, ihn erst dadurch realisierend, zu etwas Realem machend. ¨Oder nehmen wir „Das Heiratsproblem“, das auf diesem Bild schwer an einer Wand zu lehnen scheint, als eine Art Kreuzung aus Cello und … Laute? Man weiß nicht: Ist es groß? Ist es klein? Wurde hier etwas, das eher klein und leicht ist, vergrößert und mit Schwere versehen? Was immer es sein mag: das Nichts nagt schon an ihm, wie sie sehen können, der Hintergrund frißt sich in seine Leibesfülle, der Auflösungsprozess hat bereits begonnen. ¨Sehen Sie Matratzen, wenn Sie „Konfektaufsatz“ betrachten? Auch in diesem Fall ist der Titel keine oder nicht nur eine Albernheit. Wenn Sie bei Google ‚Konfektaufsatz‘ eingeben und nicht etwa auf Bilder klicken, sondern auf Suche, dann kommt als erstes ein schönes Zitat aus Goethes „Italienischer Reise“, das mich, dem Himmel sei Dank, in meinen Überlegungen bestätigt… und das ich Ihnen zum Abschluss vortragen will.
 „Nun fühle ich erst, wie mir mit Recht alle Willkürlichkeiten verhaßt waren, wie z. B. der Winterkasten auf dem Weißenstein, ein Nichts um Nichts, ein ungeheurer Konfektaufsatz, und so mit tausend andern Dingen. “
Der Titel „Konfektaufsatz“ ist also nichts anderes als ein Synonym für: „Ein Nichts um nichts“. Der perfekte Sammeltitel für die Bilder Christian Hellmichs. ¨In „Objektpermanenz“ geht Hellmich für meine Begriffe dann entschieden zu weit: eine Permanenz zu behaupten, dazu eine Gegenstandspermanenz, obwohl sich hier doch gerade das Gegenteil findet, die Dinge es nicht schaffen, sich durchzuhalten als Entitäten, Seinse, Dinge, Objekte… Auch hier: ein vermeintliches Oben und Unten, durch die zwei Striche noch verdeutlicht, außerdem durch die Halluzination, in die Tiefe des Raums – des Weltraums? – zu blicken…

Ich könnte ewig so weitermachen und an diesen Bildern ein Exempel nach dem andern statuieren. Aber vielleicht nehmen Sie die Anregung auf und versuchen selbst, diese etwasartigen Nichtigkeiten oder nichtigen Etwasse in den hier gezeigten Bildern auszumachen. 
Wie Sie bemerkt haben dürften: Ist es alles andere als leicht, Christian Hellmichs Manöver sprachlich einzuholen – man kann nur scheitern. Ich hoffe, das ist mir auf einigermaßen instruktive Weise gelungen. Vielen Dank.